Emotionen als Algorithmus

Descartes schon, bezeichnete Tiere als biologische Maschinen, nur der Mensch sei beseelt und deshalb anders wahrzunehmen. Neuzeitliche Atheisten und sozialdarwinistisch orientierte Menschen bezeichnen Emotionen als „ein etwas komplizierterer Algorithmus“ und unterlegen ihre Behauptungen mit pseudowissenschaftlichen Begründungen indem der Mensch als biologische Maschine wahrgenommen wird.

Seit Descartes ist Zeit vergangen und in einer immer mehr quantitativ orientierten technokratischen Wissenschaft konnte man mit Qualitäten, wie Emotionen, einer Beseeltheit, oder mit Bewusstsein nicht kalkulieren. Es sind bis heute unerwünschte, nicht zu kontrollierende Variablen, die am besten außen vor gelassen und gerne mit dem Konzept von Algorithmen ersetzt werden um eine Art von Berechenbarkeit zu schaffen. Daraus resultierend entstand der neue Mensch, der Homo Machina, der Mensch als Maschine. Berechenbar, kalkulierbar und somit auch durch Veränderung von Parametern manipulier- und kontrollierbar.

Im Gegensatz dazu finden sich viele verbreitete Lehren und Verhaltensformen, ob rein sozial oder auf religiös-esoterischer Seite, welche die Qualitäten noch erkennen lassen. Der Traurige wird getröstet, den Wutentbrannten meidet man, für den Gelangweilten werden Spiele bereitgestellt, Enthusiasmus ist besonders in der Arbeitswelt erwünscht und der Apathische wird künstlich ernährt. Emotionen sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens und sie als Algorithmen zu bezeichnen ist eine Weigerung den jeweiligen individuellen und einzigartigen Ausdruck eines Lebenszustandes anzuerkennen.

Die Tierwelt ist ebenso mit Emotionen versorgt, jeder der Kontakt zu Tieren hat, der kann dies erkennen. Der Bauer mit seiner depressiven Kuh, der Hundehalter mit seinem freudig wedelnden Hund, der Besitzer einer neugierigen Katze, die tiefe Zuneigung, die Pferdehalter von ihren Tieren empfangen. Die Fauna ist voll davon. Und diese Emotionen sind für uns erkennbar, weil sie den unseren so ähnlich sind.

Ein apathisches Tier bringt man nicht einfach so dazu, dass es freudig auf der Weide herum tollt. Es bedarf verschiedener Stufen um ein Tier soweit zu bringen. Ebenso verhält es sich beim Menschen. Einem in Apathie versunkenen Menschen zu empfehlen, Licht und Liebe zu leben, mag befriedigend für den Ratgeber sein, ist jedoch eine Überforderung für den Betroffenen.

Wenn man ein apathisches Tier dazu bringt, wieder Angst vor etwas zu haben, indem man es mit etwas reizt, dann verändert man den emotionalen Zustand fließend. Wenn das Tier anfängt sich zu wehren ebenso. Lässt man zu, dass das Tier dadurch aggressiv und wütend wird, kommt der Metabolismus in Gang, Lebensgeister werden geweckt und ebenso Hunger und Durst.

Lässt man das Tier einen Kampf gewinnen, sei es auch nur scheinbar, entwickelt sich etwas, was man als Vertrauensbasis, eine gegenseitige Akzeptanz bezeichnen könnte, auf dem ein zukünftiges Spielfeld entwickelt werden kann. Natürlich brauchen solche Prozesse Zeit und Geduld und sind nicht sofort zu erreichen, aber es zeigt, dass Emotionen und Befindlichkeiten von Tieren fließend ineinander übergehen und nicht ein oder abgeschaltet werden können. Und – sie sind individuell.

Beim Menschen scheint das ganz ähnlich zu sein. Einem Trauernden zu sagen, er solle sich des Lebens freuen, kann auch nur dem größten Dummkopf einfallen. Wir wissen instinktiv, dass dieser Schritt zu hoch ist. Genauso wenig wird aus einem wutentbrannten Berserker ein enthusiastisch interessierter Mitmensch. Auch da spürt man, dass man besser die Person in Ruhe und sich alleine austoben lässt.

Angst oder Apathie mag die eine Seite einer Skala zwischen Polen sein. Freude und Lebenslust die andere. Dazwischen gibt es jedoch eine ganze Anzahl von verschiedenen Zuständen und Gefühlen, die mehr auf der einen oder auf der anderen Seite liegen. Langeweile ist näher bei Freude als bei Angst. Trauer ist näher bei Apathie als Beschwingtheit. Interesse ist näher bei Freude als Wut. Gier ist näher zur Angst als Freude. Usw. Eine genaue Kategorisierung fällt schwer, weil jeder Mensch seine individuellen ineinander fließende Zustände zwischen diesen Polen Angst und Freude hat.

Einen apathischen Menschen mit Licht und Liebe dazu bringen zu wollen, etwas zu unternehmen, ist wirkungslos. Das musste schon manch Esoterikenthusiast feststellen. Ihn zur Wut aufzustacheln liegt da viel näher um Aktion zu erzeugen. Wer es versteht Emotionen zu manipulieren, der weiß welche Emotionen einander nahe liegen und um diese fließenden Übergänge von einem Zustand in den anderen.

In vereinfachter Form gilt das auch für eine Masse an Menschen. Wenn ein Redner oder Künstler sein Werk tut, dann holt er die Menschen irgendwo zwischen den beiden Polen ab und führt sie dorthin, wo er sie haben möchte. Das Individuum ist jedoch viel komplexer und vor allem individueller, einzigartiger. Alles andere als ein Satz von Algorithmen.

Wir kennen den Ausdruck „jemanden abholen wo er ist“ und meinen damit diese grobe Skala von Emotionen zwischen den Polen Apathie und Lebensfreude. Wer anderen helfen möchte, ist damit gut bedient. Besonders wenn derjenige seiner eigenen Wahrnehmung, seinen eigenen Sinnen und Empfindungen vertraut. Allesamt qualitative und keine quantitative Eigenschaften, genau das, was den Menschen eklatant von einer Maschine unterscheidet.

Mfg Chnopfloch

 

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8 Kommentare

  1. Es gibt da einen Therapeuten, der mit dem Vagusnerv arbeitet und Emotionales Mitteilen, EM, sein eigen nennt. Darin geht es genau darum, dass man in kleinem Kreis eben genau das trainiert, auf seine Emotionen zu achten, sie zu beob-achten, interessantes Wort, und eben zu beschreiben, nicht zu bewerten. Das trainiert tatsächlich das Hinspüren, was ist da grad los in mir? Und daran anschliessend gelingt es immer besser, sich selber und seine Emotionen zu regulieren, wahrzunehmen. Das ist weder spirituell noch Blödsinn, sondern hilft, ruhig und gelassen zu werden. Wollt ich nur teilen, ich wollt hier keine Werbung machen, und auch nicht belehren. Aber wenn mehr Menschen das beherrschten, könnte man wirklich auf Erwachsenen-Niveau miteinander reden, so kommen den meisten immer ihre Emotionen dazwischen

  2. Danke dass Du dieses so wichtige Thema beschreibst, lieber Chnopfloch.
    Mit Empathie kann man fast Jedem abholen, da wo er ist. Empathie ist was Menschlisches, denn sie kommt vom Herzen, und das spürt man.
    Falsche, gespielte Empathie spürt man auch, sowohl Mensch als auch Tier.

    Leider leben wir in einer “modernen” New-Age Welt wo nur “hochschwingende Gefühle” erwünscht sind, und alles andere verpönt oder unterdrückt werden soll.
    Hauptsache alle “happy und gut gelaunt ” um in die “Höhere Dimension” zu steigen, egal was. Dabei ist eigentlich die Idee “Höher,” zu steigen ist ein Darwinistischer Gedanke… Für mich gibt es nur Selbsterkenntniss, und nicht höher “vibrieren”. Die eigene Emotione zu erkennen und wie wir damit körperlich umgehen. Verharren wir oder kommen wir in Bewegung? In Bewegung zu bleiben ist das gesündere.

    Ich lache über den Begriff “negative” Emotionen: Hauptsache, man bezeichnet etwas am Menschen was “falsch sein soll”. Dies passt dann wieder in die “Sünderrolle”, die HEILUNG von einem Messias brauchen soll…

  3. Die meisten deiner Beiträge sind beeindruckend und durchdacht.
    Bei diesem Thema bleibst du leider dermaßen unterkomplex, dass ich gar nicht glauben kann, dass du das geschrieben haben sollst. Wurde Chnopfloch entführt oder dieses Blog gehackt?

    • Max Power

      Wenn du den Inhalt nicht verstehst, warum setzst du dich dann nicht wieder auf deinen Stuhl in der Klinik?

      • Max, dass du mich hier gleich so krass abwertest, ohne mich zu kennen sagt mehr über dich aus, als über mich.

        • Anonymous

          Dein Kommentar war sicher überhaupt nicht abwertend, und er sagt auch gar nix über Dich aus … .

        • Sigrid Ebert

          Sehr bezeichnend finde ich, dass du zuschlägst und wenn du dann Gegenwind bekommst, nimmst du plötzlich ein Befindlichkeitsbad. Also entweder verzichtest du auf persönliche Angriffe, oder du erträgst den daraus resultierenden Gegenwind. Wer austeilt, muss auch einstecken können!

  4. Luca Adèle Moser Agharese

    Oh ja, diese durch die Wissenschaft vereinfachte, reduzierte Fassung “Mensch” kann ich schon nicht mehr ausstehen! Aufgrund verschiedener Persönlichkeiten in meinem nahen Umfeld begann ich mich mit dem Themenkreis “Traumata und Polyvagal-Theorie” auseinanderzusetzen. Dort kommt diese Reduzierung des Menschen auf ein biologisches Modell auch zum Zug: Es wird so getan, als ob der Mensch und sein emotionales Verhalten nur vom Nervensystem abhinge… So einseitig, aber eine ganze Konsorte von Psychologen, Coaches, Trainern, usw. verdient einen Haufen Geld damit, die Menschen in diesem therapeitischen Abhängigkeitsverhältnis festzuhalten, damit sie ja nicht gesund, eigenständig denkend, fühlen und glaubend werden (könnten).

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