Sozialisierung – der Austausch zwischen Mensch und Mensch. Den einen mag man, den anderen weniger, aber wenigstens das Teamwork klappt. Freundschaft und Bekanntschaft. Ein Gefühl der Achtung, des ganz alltäglichen Respekts. Man muss ihn oder sie nicht lieben, aber man ist trotzdem anständig und hält sich zurück, man will ja morgen auch noch ein Verhältnis. Wenn auch kein gutes, dann aber doch ein Verhältnis.
Bei Freunden, na ja, die kennt man. Worauf sie reagieren, was sie interessiert, die Gemeinsamkeiten und die Erfahrungen, die man miteinander macht. Ein hin und her, ein geben und nehmen. Man spürt, wenn etwas genug ist, hält sich an bestimmte unausgesprochene Regeln, diskutiert über bestimmte Sachen nicht, dafür aber umso mehr über andere Dinge. Jeder kennt das, der nicht gerade alleine in einer Höhle aufgewachsen ist.
Ein zartes Band zwischen Menschen, wo Empatie über den Grad der Verbindung entscheidet, wo im rechten Moment Zurückhaltung geübt und im richtigen Forschheit angebracht ist. Wo Spass, Ernst und Unterhaltung zusammen kommen und das unbezahlbare Gefühl von Gemeinsamkeit, Dazugehörigkeit und Zusammensein ein Feld erschafft.
Ganz bestimmt empfiehlt man seinen Freunden und Bekannten nach jedem Themenwechsel keine anderen Bekannte und Freunde, man spricht bestenfalls über sie. Niemand fragt ungefragt alle paar Minuten nach milden Gaben, einer kleinen Spende mit der Begründung sonst arbeiten gehen zu müssen und keine Zeit mehr für die Sozialisation zu haben. Auch kommt keiner auf den Gedanken, sich für eventuelle Infos, Klatsch und Tratsch von seinen Bekannten und Freunden bezahlen zu lassen. Und wer andauernd über Dinge spricht, die man nicht einmal selber besitzt, die man aber doch bitte kaufen soll, der würde bald keine Gesellschaft mehr haben. Wer dauernd andere an macht und seinen Frust an ihnen auslebt, wird gemieden. Sozial ist anders.
Und doch spricht man von sozialen Medien?
Dieser neuen Verbindung zu anderen Menschen, zu einem Avatar reduziert und unbedingt austauschbar. Projektionsflächen auf denen Dinge möglich sind, die im direkten Umgang mit Menschen schnell ein blaues Auge oder eine gebrochene Nase zur Folge hätten. Wo man sich eine überbordende Selbstdarstellung erlaubt, ohne Nasenrümpfen oder gehobene Augenbrauen seines Gegenübers wahrnehmen zu müssen. Ein Ort, wo man seine Freunde und Folger als potentielle Geldquelle warm hält, oder sie raus schmeißt, sie blockiert, wenn sie zicken. Monetarisiertes Sozialleben mit stetigem Blick auf Eigennutz. Wenn nicht finanziell, dann emotional. Bezahlt mich, lobt mich und nehmt mich wahr.
Zeitungen und allgemein Dienstleister haben Abonnenten. Ideologen haben Anhänger, Leute die ihnen folgen. Und um Kundschaft wird in der Geschäftswelt geworben, ohne Rücksicht auf den Einzelnen. Daran ist nichts sozial. Ein Zusammenleben mit Preisschildern, ständig gute Ratschlägen, Ideologien und Selbstdarstellungen, die eigentlich niemand haben will.
Soziale Medien gibt es nicht. Genauso wenig wie es soziale Verkäufer, Firmen und Banken gibt. Soziale Medien ist ein Name für die Monetarisierung der Zwischenmenschlichkeit und der grundlegenden sozialen Bedürfnisse der Menschen, wie Gemeinsamkeit, Zusammengehörigkeit und Gruppengefühl. Das was das Wir vom Sie unterscheidet gibt es nicht mehr, Freundschaft und Feindschaft ein Klick und ein Dislike entfernt. Entweder du bist für oder gegen mich.
Der Hintergrund der Namensgebung und Bezeichnung „soziale Medien“ ist ein fieser psychologischer Trick. Der Name entstand nicht von alleine, er wurde gemacht, von Medienprofis und Firmen-Psychologen. Es wird eine Urangst zu Hilfe genommen – die Angst vor dem Ausschluss aus der Sippe, des Stammes oder der Familie – und so meint der Mensch, der diese Manipulations-Mechanismen nicht kennt, unbedingt mitmachen zu müssen. Denn wer möchte schon unsozial sein? Oder gar asozial?
Und so wird die Angst vor dem Ausschluss und der einsamen Verbannung angesprochen, ohne dass es einem bewusst ist und darum ist man „dabei“ und macht mit. Dabei ist das „soziale Medium“ nichts mehr als ein weiteres erfolgreiches Geschäftsmodell. Medien sind niemals sozial, nur Menschen sind es.
Mfg Chnopfloch
Mel
Hey das trifft sich,
ich hatte das gleiche Thema gestern mit meinem Sohn. Ich sagte ihm, dass all diese Plattformen uns nicht näher bringen, sondern zu einem enormen Teil der Spaltung beitragen. Ich halte sogar WhatsApp eher für hinderlich, da viele Probleme durch den Messanger verschärft werden. Viele Dinge werden einfach per Nachricht spontan aus dem Gefühl heraus getippt. Ohne dass man den Gesichtsausdruck des Gegenübers sieht, können solche Nachrichten schnell falsch aufgefasst werden. Dinge für die man sich früher 5 mal überlegt hat, ob man anrufen sollte oder sich ins Auto setzt und zu dem Gegenüber hinfährt, werden heute einfach nachlässig per Chat hinterher geworfen. Dinge die man vielleicht gar nicht kommuniziert hätte, wenn man länger drüber nach gedacht hätte. Unbewusste Kommunikation, Nachtreten bei Themen des Frustes, dauerhafte Erreichbarkeit….. Früher gab es auch mal Pausen, keiner hätte sich getraut nach 20 Uhr jemanden anzurufen. Heute kann man auch nach 20 Uhr noch beleidigt werden und irgend eine Lücke in der Blockliste findet man schnell, dank einer mega Bandbreite an Messangern und „sozial-Media“ Diensten. Danke lieber Chnopfloch, wie immer
LG
Mel